„Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang“

Musikunterricht zwischen Anpassungsdruck und kreativer Selbstentfaltung

„Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.“ Dieses Faust-Zitat soll mit Hans Blumenberg zum Anlass genommen werden, um mit Blick auf unseren Musikunterricht über das Verhältnis „Lebenszeit“ und „Weltzeit“ neu nachzudenken. Blumenbergs Fazit scheint hier klar: „Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen“ (Blumenberg 1986, 71). Des Pudels Kern begegnet uns nahezu täglich, sei es in Gestalt unserer eigenen, vielleicht übersteigerten Ansprüche oder in jenem Beschleunigungs- und Optimierungsdruck, dem wir uns – nicht nur in der Schule – ausgesetzt fühlen. Schließlich gilt dieses Zitat als „Grundmuster für die Erfassung der menschlichen Großlage“ (ebd.): Das Diabolische scheint ein „Konzentrat der das Leben durchziehenden Techniken und Kunstgriffe“ zu sein, um „Zeit zu gewinnen“. In der Schule begegnet uns dies im Elementarisieren und im Versuch, die „Weltzeit“ auf jene spärliche „Lebenszeit“ zu zwingen, die uns im Musikunterricht zur Verfügung steht. Diesen besiegelten Pakt gilt es aufzulösen, damit Schule als „Stätte der Lebensnot“ (Nietzsche 1872, 717), die sich allein auf das vermeintlich lebensnotwendige fokussiert, wieder zu einem Ort erfüllter Zeit, einem Ort der Muße (lat. ‚schola‘ = Muße, Müßiggang) werde (Oberschmidt 2022). Ein Ausweg aus dem Dilemma soll gesucht werden in einer Hinwendung zum Elementaren, die sich dem hier ausgemachten Feind entgegenstellt und die sowohl in ihren historischen Bezügen als auch mit Blick auf die im Musikunterricht der Sekundarstufe auszumachenden Handlungsfelder ausdifferenziert und diskutiert werden soll (Oberschmidt 2021): Bereits das Orff-Schulwerk als ein Gründungsmanifest des Elementaren konnte nicht in den geplanten 32 Bänden verwirklicht werden, weil sein Urheber viel zu wenig Zeit hatte. Auch aus diesem Grund wird es heute verkehrt, in so manchen Verzerrungen, die das Elementare mit dem Elementarisieren verwechseln: Bis heute konzentriert sich der Musikunterricht auf eine „anerzogene Kunstmusik“ (Orff 1932, 183), um mit der Aussicht auf den Gewinn von Zeit auf Orffs eigentliche Grundidee kreativ-künstlerischer Zugänge zur „primitiven Urmusik“ (ebd.) gänzlich zu verzichten. Weil dieser Widerstreit faktisch aus jeder uns bekannten Situation im Musikunterricht hervorbricht, soll hier eingetreten werden für einen Musikunterricht, der mit seinen Mitteln, eben den besonderen Mitteln der Kunst, dazu angetan ist, auf das System Schule einzuwirken, um dieses zu verändern, ohne damit den faustischen Drang nach Wissen und Erkennt