Postdigitale Songwritingpraktiken im Musikunterricht

Woran soll sich Songwriting im Musikunterricht orientieren? Zweifelsohne wird dem Musik-Erfinden eine wichtige Stellung für das Musiklernen im Schulunterricht  eingeräumt, da damit viele positive Lerneffekten verbunden sind (Kranefeld & Voit 2020). Allerdings herrscht bei der methodischen Ausrichtung und Umsetzung generativer Prozesse in der Musikpädagogik Unklarheit. So erscheinen viele Konzepte unvollständig vor allem im Hinblick auf die darin adressierten Lernpraktiken. Eine Alternative bildet etwa der Informal Learning Approach, der das außerschulische Lernen etwa in der Popularmusik zum Ausgangspunkt unterrichtlichen Musizierens machen (Godau 2017). Solche Ansätze finden (1) in Deutschland im Gegensatz etwa zum international etablierten Musical Futures-Projekt (Green 2008) kaum Anwendung. Aber die dort zugrunde gelegten Lernpraktiken konzentrieren sich (2) primär auf reproduktive Verfahren des Coverns, weshalb auch Materialien zum Songwriting wenig genügen. Schließlich werden (3) digitalisierungsbedingte Veränderungen kreativer Praxen kaum registriert.

An diesem Punkt setzt der Forschungsverbund Musical Communities in the (Post)Digital Age (MusCoDA) der Universität Erfurt (UE) und der Universität Paderborn (UP) an, das Songwriting unter den Bedingungen vollständiger Digitalisierung untersucht. Im Fokus steht einerseits die Erforschung kreativer Prozesse im Freizeitbereich (UP) und andererseits die Rekonstruktion von Praktiken des Songwriting an Schulen (UE). Hierfür wurden zwei Designs entwickelt: Das erste Design (D1) wurde in Form eines Kartenspiels aus didaktisch-methodischen Vorschlägen aus der (inter-)nationalen musikpädagogischen Literatur konzipiert. Das zweite Design (D2) wurde aus den empirischen Daten beider Teilprojekte konsolidiert. Das folgt der Frage, wie Schüler:innen lernen, wenn sich Methoden im formalen Musikunterricht an Songwriting-Praktiken in informellen Kontexten orientierten? In D2 wird das Musikmachen als iterativer Prozess zwischen vier Räumen modelliert: stilles Kämmerlein, Probe- und Recording-Raum, Performance-Raum, Feedback- und Listening-Raum. Dies folgt Ergebnissen des Teilprojektes UP, das seit 2020 Musiker:innen aus Bands sowie auf Plattformen wie TikTok begleitet (vgl. Godau & Haenisch 2019/2022).

Ziel des Vortrags ist es, die theoretischen Vorannahmen, erste Forschungsergebnisse sowie das daraus gewonnene Konzept (D2) popularmusikalischen Lernens für den Schulmusikunterricht vorzustellen und zu diskutieren.